Rubrik: Themen und Impulse / Stichworte: Führung, Engagement
23.08.2024 Ernst Fischer; Foto: flickr
Menschen der Tat – Ein Plädoyer für eine richtig verstandene „Great Men Theory“
Wladimir Putin, Elon Musk, Donald Trump und andere vermiesen uns mit ihrem gefährlichen Personenkult und ihren irrationalen Entscheidungen den Blick auf eine interessante Theorie: Die „Great Men Theory“.
Die heutzutage in Verruf geratene Idee aus dem 19. Jahrhundert (Thomas Carlyle, Hegel, Nietzsche, Emerson u.a.) geht meist paradigmatisch von der Person Napoleons aus: Ein großer Gestalter, ein Willensmensch, einer, der seine Ziel nie aus dem Auge verlor, kostete es, was es wolle, und so die Freiheit ganzer Völker, ein neues Rechtssystem, ja ein neues Zeitalter einläutete.
Die Theorie der großen, starken Männer hat mit Recht scharfe Kritik erfahren: Sie ist antiegalitär, sie ist sexistisch und mystifiziert Menschen zu Halb-Göttern. Es stimmt zudem, dass nie ein Einzelner allein, sondern viele andere Menschen, Kollektive, soziale Strukturen und glückliche Wechselwirkungen große Veränderung gestaltet haben. Und es ist außerdem richtig, dass auch jeder dieser „großen Männer“ in einem Kontext gestanden ist, der ihn geprägt hat.
So stichhaltig diese Kritik auch ist und so sehr uns die Gräueltaten, für die diese Menschen direkt oder indirekt verantwortlich waren, auch entsetzen, sollten wir uns fragen, ob an der "Great men theory" nicht doch etwas dran ist und ob es gelingen kann, das Positive herauszudestillieren und für Führungskräfte handhabbar zu machen.
Die Great Men Theory umschreibt diese „großen Menschen“ mit fünf Attributen: Genial – unangepasst – zukunftsorientiert – resilient – ansteckend
Genial – im Sinne einer seltenen Ansammlung von Talenten und Charaktereigenschaften in einem Individuum
Unangepasst – also nicht an den üblichen Traditionen orientiert
Resilient – widerstandsfähig und entschlossen, immer wieder aufzustehen
Zukunftsorientiert – einen Sinn für Ziele, ein Gespür, was für die jeweiligen Zeit das Entscheidende ist, zu besitzen
Ansteckend – diesen Menschen gelingt es, andere Menschen zu begeistern
Die Wiederkehr von Despoten wie Putin oder Trump als welthistorische Gestalten zu verstehen, ist gelinde gesagt beunruhigend. Sie führt uns vor Augen, dass Einzelne unermesslichen Schaden anrichten können. Leider verdrängen sie auch Bilder anderer welthistorischer Gestalten wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Albert Schweitzer oder Jesus von Nazaret.
Denn die "Great Men Theory" hat auch eine hoffnungsvolle Kehrseite: Führungskräfte können – allen Sachzwängen und aller Komplexität zum Trotz – große Veränderungen bewirken. Diese Möglichkeit kann auch für Gutes eingesetzt werden, für die Mehrung des Wahren und Schönen in der Welt, für den Erhalt von Natur und Schöpfung.
Vielleicht sollten wir uns mit Hannah Arendt wieder mehr als Menschen verstehen, „die zum Neuanfang begabt sind“. Vielleicht sollten wir weniger darüber jammern, dass wir nur „ein kleines Rädchen im Getriebe“ sind, sondern mal den Versuch starten, uns als welthistorisches Individuum zu begreifen.
Ernst Fischer