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30.04.2025 · Ernst Fischer
Bild: FlickR

Therese Schouwink, eine junge, aber schon anerkannte Philosophin und Redakteurin, hat in einem einführenden Essay zur Thematik die These von einem grundlegenden Wandel aufgestellt: „Aus einem verhuschten „Ich kann nicht mehr!“ wird ein öffentliches „Ich will nicht mehr“ … Das Nein hat das Ja als Grundhaltung abgelöst.“

Ist dem wirklich so, und wenn ja, ist das ausschließlich gut?

Sicher hat Schouwink mit ihrer Diagnose recht; auch andere Philosophen und Soziologen sagen Ähnliches. Sofort assoziiert man Beispiele für diese These: Die Black-Matter-Bewegung, die Me-Too-Offensive mit ihrem „Nein heißt Nein!“, die Befürworter härterer Maßnahmen gegen den Klimawandel, die Gegner des Neoliberalismus und des stetigen Steigerns des Wirtschaftswachstums, die Generation Z mit ihrem Votum für weniger Arbeit und andere mehr.

Dies alles sind Beispiele, die das Nein positiv erscheinen lassen. Endlich - würde man sagen - erwacht wieder ein Geist des Widerstands gegen geglaubt „ewige“ Wahrheiten.

Aber es gibt auch das „Nein!“ der AfD und der rechtsextremen Aufmärsche auf deutschen Straßen, es gab das „Nein!“ gegen Impfungen, es existiert weiterhin das „Nein!“ zu Menschen anderer Hautfarbe, ja das „Nein!“ zu unserer Staatsform, der rechtsstaatlichen-freiheitlich-sozialen Demokratie, gegen den Staat, den sich das Volk zurückholen müsse.

Der Betrachter reibt sich die Augen und frägt sich, ob es sich um das gleiche „Nein“ handelt.

Und genau das ist der Knackpunkt. Die Gründe sind so unterschiedlich wie die Zielrichtungen, so dass „Nein“ nicht mit „Nein“ verglichen werden kann. Es gibt eben verschiedene Neins.

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen:

Stellen Sie sich vor, Sie verfolgen ein Rennen der Formel 1. Plötzlich wird ein Rennauto immer langsamer und rollt schließlich am Randsteifen aus, und man hört das „Nein!“ des Fahrers über den Funk. Es ist dies ein ungläubiges, verzweifeltes Nein, das in diesem Augenblick keine Handlung mehr zulässt. Ein anderer Bolide wird auch langsamer, aber er hat keine technischen Probleme, sondern aus Taktik lässt er sich zurückfallen und scheint sich dem Rennziel des immer Schneller zu entsagen. Dies ist aber nur ein Vorwand, ein strategisches Nein. Es gibt auch den, der es beständig verneint, Führungsarbeit zu leisten, der immer andere für sich arbeiten lässt: der bequeme Nein-Sager. Hypothetisch könnte ein vierter Teilnehmer aus seinem Wagen aussteigen, sich einen Grashalm vom Asphaltrand pflücken, zwischen die Lippen nehmen und den Himmel genießen. Auch er sagt Nein, aber deshalb weil er nicht mehr in dieser Welt leben will, sondern sich ihr ganz und gar verweigert: Das Aussteiger-Nein. Ein fünfter Rennfahrer stoppt schließlich seinen Boliden, stellt ihn quer zur Strecke, steigt auf seinen Wagen und ruft die anderen dazu auf, es ihm gleichzutun, um dem Wahnsinn gemeinsam ein Ende zu setzen: ein revolutionäres Nein.

Es ist am Betrachter unserer Gesellschaft und Politik, aber auch der Arbeitswelt und der Schule die Unterschiede zu diagnostizieren. Wie so oft sieht man an der Motivation und an den Zielen die Unterschiede.

Deshalb ist es gut, dass es wieder mehr Menschen gibt, die Nein sagen, aber nicht alle Neins sind gut.

Ernst Fischer

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