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06.03.2025 · Ernst Fischer
Bild: pexcels

Sprache – Gottesgabe oder Machtinstrument

Das Ende des Grimmschen Märchen vom Rumpelstilzchen geht so: Die Königin sagte: "Heißt du etwa Rumpelstilzchen?"

"Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt," schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, daß es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riß sich selbst mitten entzwei.“

Wer Dinge benennen kann, so sagt uns das Märchen, hat Macht über sie.

Und viele Herrschende haben die Sprache auch so gebraucht, besonders die großen Diktatoren und Manipulatoren, aber auch ihre Nachahmer der Neuzeit.

Dagegen beginnt das Johannesevangelium mit dem Satz „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ „Alles ist durch das Wort geworden“, setzt Johannes hinzu. Mit der Sprache erschuf Gott also die Welt, und alles, was Gott sah, war gut. Fast alle anderen Schöpfungsmythen der alten Welt kennen ähnliche Erzählungen: Sprache als Schöpfungsakt und als Gottesgabe.

Sprache als Schöpfungsakt und als Gottesgabe.

Und im Buch Genesis wird die Sprache dem Menschen als Abbild Gottes verliehen.

Sprache ist das Kommunikationsmittel der Menschen; gesprochen, geschrieben oder als Gebärdensprache, mit Sprache tun wir uns kund, mit Sprache schaffen wir Begegnung, mit Sprache geben wir Informationen weiter. Und wir können beides: Sprache missbrauchen als Machtmittel und Sprache pflegen als Sinn und Gemeinschaft Stiftendes. Und jede und jeder von uns tut beides. Wir lügen und beleidigen, wir kränken und manipulieren, wir schimpfen und wüten. Gleichzeitig sind wir fähig, Liebesbriefe zu schreiben, zu verzeihen, Trost zu geben oder Kompromisse zu formulieren.

Beide Seiten schlummern in uns, beide sind Teil unseres Menschseins. Sollten Sie mal abends vor dem Schlafen Zeit haben nachzudenken, wie sie am vergangenen Tag gesprochen haben, wie sie Sprache verwendet haben und wie sie gewirkt hat, sind Sie schon einen großen Schritt weiter. Denn wenn wir stärker nachdenken würden, was wir sprechen und wie wir sprechen, könnten wir vielleicht die Sprache mehr pflegen, die sich dem Mitmenschen zuwendet und ihn nicht zum Opfer unserer Sprache macht.

Wie in der Erzählung der Cherokee: Es kommt darauf an, welchen Wolf in dir Du fütterst.

Ernst Fischer

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