„Wie werde ich gelebt haben?“
Nachhaltigkeit und das Futur II
Ausgehend von der Frage des Soziologen Harald Welser kann man die Antwort geben, dass nur die Orientierung an einem gelebten Futur II echte Nachhaltigkeit schafft.
Nachhaltigkeit ist eines der Modewörter unserer Zeit. Es wird so oft benutzt wie „Innovation“ und ist genausooft nur plakatives Signal und leere Floskel.
Interessanterweise taucht das Wort „Nachhaltigkeit“ schon 1713 in der Forstwirtschaft auf, und meint heute laut Duden „eine längere Zeit anhaltende Wirkung“. Seit einiger Zeit wird es stark im Zusammenhang mit ökologischen Fragestellungen benutzt und laut Wikipedia als moderne, umfassende Bedeutung verwendet - im Sinne eines „Prinzips, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen [oder] sich regenerieren [und] künftig wieder bereitgestellt werden kann“. Ethymologisch kommt es vom Verb „nachhalten“, also „in die Zukunft begleitend beobachten“.
Nachhaltigkeit fordert eine Abkehr von jeglicher Kurzfristigkeit, ja mehr noch: Es erfordert einen grundsätzlichen Wechsel der Blickrichtung.
Nicht mehr das Jetzt, und schon gar nicht „mein Jetzt" ist der Fokus, sondern das Zukünftige und nicht nur das meiner Existenz, sondern das einer Gemeinschaft, sogar der ganzen Menschheit. Aus dem Präsens wird ein Futur, und aus dem Personalpronomen „ich“ ein „wir“.
Nachhaltig zu leben und noch mehr, zur Nachhaltigkeit überzeugen, ist aber ein schwieriges Unterfangen: Sagen sie einem Schüler, dass er nicht die nächste Probe im Auge haben soll, dem CEO nicht mehr die Quartalszahlen oder dem Politiker die nächste Wahl. Sagen sie einem Hauseigentümer, dass eine ökologischere Heizungsanlage nötig ist, oder dem Weißwurstliebhaber, dass er auf Fleisch verzichten soll.
Trotz dieser scheinbaren Aussichtslosigkeit braucht es weiterhin Engagement statt lautstarker Absichtserklärungen. Ein Engagement, das zu einer Änderung der Haltung führt. Es geht darum, dass wir uns so verhalten, dass sich die Zukunft noch für uns lohnt, und mehr noch für unsere Kinder und Kindeskinder. Die Frage, ob es genügt, einzelne Haltungen zu ändern, oder ob nur eine systemische Änderung hilft, ist müßig: Beides ist notwendig, also eine Not abwendend.
Wir müssen die Zukunft jetzt schon so gestalten, dass wir sie eines Tages so gestaltet haben werden, dass man in ihr leben kann. Und so verbinden sich Präsens und Futur II.
Ernst Fischer