Philipp Sarasin 1977
2021, Suhrkamp
Der Schweizer Historiker ergründet in dem Buch den Zeitpunkt, an dem die Moderne zu Ende ging und das "Ideal der Allgemeinheit" abgelöst wurde durch den Drang nach Individualisierung, zur Globalisierung und zum Neoliberalismus.
Die These – bereits in vielen anderen Arbeiten hinreichend belegt (Reckwitz, Nachtway, Rosa, Ott) - wird durch den originellen Aufbau des Buches, deren Kapitel von Biografien einflussreicher Personen eingeleitet wird, plausibel. Auch Sarasins überwältigende Themenvielfalt vom Körperkult über die "Kulturmaschinen" wie dem Centre Pompidou bis zu Disco und dem ersten Apple sind sehr anregend präsentiert. Ständig wird man als Leser, der diese Zeit selbst bereits bewusst erlebt hat, die Lektüre unterbrechen, um erinnernd innezuhalten.
Auch die vielen Pop-Zitate sind erschreckend. Sie zeigen - wie auch bei anderen Kunstwerken - dass die Künstler der Zeit bereits eine Stimmung verspürten, die Jahre später universell wurde. So lautet eine Zeile aus dem letzten Chart-Hit 1976: "Oh a storm ist threatning my life away“. Ja, Gimme shelter von den Rolling Stones war ein Fanal für die Unsicherheit und die Angst in dieser Zeit, aus der sich eine Zeitenwende ergeben sollte.
Trotz der 500 Seiten und einiger sehr komplexer Passagen ist dieses Buch d e r Überblick über die Entstehung der Postmoderne, in der wir (noch) leben. Es ist ein Vergnügen. Es ist aber zugleich auch erschreckend und traurig zu erkennen, wie die Hoffnung auf die Zukunft verschwunden ist.
Ernst Fischer