Ich bin viele - Assoziationen zu Bob Dylans "I contain multitudes"
Natürlich wäre Dylan nicht Dylan, wenn er sich und seine eigenen Widersprüche nicht selbst in seinen Liedern projizieren würde. I contain multitudes ist dafür ein aktuelles Beispiel.
Der Songtext ist ein Panorama schwieriger politischer Zeit in Trumps Amerika ebenso wie eine kokette und provokante Reflexion des eigenen Facettenreichtums: "I'm just like Anne Frank, like Indiana Jones/ And them British bad boys, The Rolling Stones", singt er. An anderer Stelle zitiert er David Bowie ("all the young dudes") und Edgar Allan Poe ("Got a tell-tale heart, like Mr. Poe").
Und so sind auch die einzelnen Strophen von Bob Dylans Song, der den amerikanischen Nationaldichter Walt Whitman zitiert, Skizzen über Widersprüche: Beginnt der Song mit einer Bitte um Nähe und Angst vor der Vergänglichkeit endet er trotzig mit Galgenhumor und widerspenstiger Eigenbrötlerei.
Die zentrale Aussage steht bereits im Titel: Ich bin viele, ich umfasse Vieles, in mir ist Vielfalt:
Vielfalt im dylanschen Sinne eher als Widersprüchlichkeit denn als ein harmonisches Puzzle, eher als Miteinander von Gegensätzen als ein buntes Zahlenbild. „Ich gehe bis an den Rand, ich gehe bis ans Ende. Ich gehe dorthin, wo alle verlorenen Dinge wieder gut gemacht werden. Ich muss mich nicht entschuldigen.“, singt er und spricht damit vielen Menschen aus der Seele. Man weiß um die Fehler und Versäumnisse, aber sie sind Teil des Lebens, für die man keine Schuld übernehmen muss, gleichwohl aber den Willen zur Wiedergutmachung.
Und im Wissen, dass die Widersprüche einer Persönlichkeit auch zu einer Verengung führen können, zu einer engstirnigen und Menschen abgewandten Haltung, schließt Bob Dylan:
„Ich bin ein Mann der Widersprüche, ein Mann mit vielen Stimmungen. In mir ist vieles. (Aber) ich werde den Weg offenhalten, den Weg in meinen Geist.“
Song und Lyrics unter https://www.youtube.com/watch?v=8jUJW8kfT-8
Ernst Fischer