Verantwortung und die Freiheit -
Gedanken nach Viktor E. Frankl, dem Mann, der Ja zum Leben sagte
Viktor E. Frankl (1904-1997), der weltberühmte österreichische Psychotherapeut, Begründer der Logotheraphie und der Existenzanalyse, war KZ-Insasse, unter anderem in Kaufering bei Landsberg. Trotz alledem sagte er immer Ja zum Leben, ja zur menschlichen Freiheit und Ja zur Verantwortung. Wie geht das zusammen?
„Es ist etwas Furchtbares um die Verantwortung des Menschen und zugleich etwas Herrliches!
Frank schreibt: "Furchtbar ist es zu wissen, dass ich jeden Augenblick Verantwortung trage für den Nächsten, dass jede Entscheidung, die kleinste wir die größte, eine Entscheidung ist für alle Ewigkeit. Dass ich jeden Augenblick eine Möglichkeit … verwirkliche oder verwirke. … Doch herrlich ist es: zu wissen, dass die Zukunft und mit ihr die Zukunft der Dinge, der Menschen um mich, irgendwie, wenn auch in noch so geringem Maße, abgängig ist von meiner Entscheidung in diesem Augenblick. Was ich durch sie verwirkliche, das rette ich in die Wirklichkeit.“
Frankl spannt drei „Straßen“ auf, auf denen es darum geht, Sinn zu finden und Verantwortung zu lernen.
„Die naheliegendste Form, Verantwortung zu übernehmen, ist die Arbeit. Der Schuster ist für gute Schuhe verantwortlich, der Lehrer für die Erziehung der Kinder.“ Aber nicht nur das Endprodukt der Arbeit liegt in unserer Verantwortung, sondern auch wie wir bei der Arbeit mit den Menschen umgehen.
Die zweite Straße meint das Erlebenswerte. „Auch zur Freude kann der Mensch verpflichtet sein. In diesem Sinne wäre jener, der in der Straßenbahn sitzt und Zeuge eines prächtigen Sonnenuntergangs wird, und doch weiter in der Zeitung liest, in einem solchen Augenblick pflichtvergessen und verantwortungslos.“
Es geht als nach Viktor Frankl darum, das Leben wahrzunehmen.
Die dritte Form ist für Frankl die Leidensfähigkeit. Auch angesichts tragischer Aspekte unseres Daseins hat der Mensch die Verantwortung und die Freiheit, das Beste daraus zu machen. In einer Nacht im KZ erkennt er „dass mir von außen so ziemlich alles genommen wurde: mein Name, meine Familie, meine Gesundheit, meine äußere Freiheit … allerdings nicht die Freiheit, wie ich darauf reagiere.“
Wem gegenüber sieht Viktor E. Fankl sich als Mensch verantwortlich?
Zuerst einmal sich selbst. Der Mensch habe eine Trotzmacht des Geistes und müsse damit im Meer der Möglichkeiten suchen. „Wer jemanden beurteilt aufgrund dessen, was er mitgebracht hat …, aber nicht aufgrund dessen, was er daraus gemacht hat, der tut ihm von vorneherein Unrecht.“
Zweitens hat der Mensch Verantwortung gegenüber seiner Umgebung. „Jeder Mensch ist ein ungeschliffener Stein, der allerdings nur dann Sinn macht, wenn er Teil eines Mosaiks ist, das seine Umgebung (und letztlich auch die ganze Welt) ausmacht.“ Oder anders von Frankl ausgedrückt: „Der Mensch wird erst am Du zum Ich.“
Und schließlich ist der Mensch verantwortlich gegenüber der Zeit. „Der Aufruf der Vergänglichkeit ist ein Aufruf, jeden Augenblick zu nutzen. Ist nicht der Ruf der Vergänglichkeit der Aufruf zur Verantwortlichkeit?“
Und indem der Mensch seine Möglichkeiten auslotet, ist er frei. Ein Leben der Verantwortung ist ein Leben der Freiheit.
Ernst Fischer
Frankl-Zitate nach abenteuer philosophie, 03/23