Dass es ihren Enkeln einmal besser gehen wird, glauben immer weniger Deutsche. Krisen, der Klimawandel, Kriege, Flüchtlingsströme oder die soziale Ungleichheit machen eine rosige Zukunft kaum glaubhaft. Ein „Weiter so!“ ist also keine Option.
Wir benötigen Visionen, also positive Zukunftsentwürfe.
Das Wort „Vision“ leitet sich vom Lateinischen „videre“ ab, was so viel wie sehen, erkennen oder verstehen bedeutet. Wer Visionen hat, erkennt etwas, was andere nicht sehen. So ist es verständlich, dass Visionen ursprünglich religiöser Natur waren: Erscheinungen von Gott, den Engeln, Maria - in Träumen oder Tagträumen. Die Erscheinungen als göttliche Eingebung beinhalten meist einen Auftrag, etwas zu tun, was anderen den Weg zu Gott weist.
Heutzutage glauben auch gläubige Menschen kaum mehr an solche Wunder. Die Vernunft ist zu stark, die Scham vor Anderen zu groß, und das Gefühl, sein Leben allein selbst zu bestimmen, wäre dahin. Wenn überhaupt glauben wir noch an Visionen im technischen Feld, die uns durch KI und andere Erfindungen verheißen werden. Für einen gesellschaftlichen und ökologischen, für einen humanen Fortschritt ist das aber zu wenig.
Wir brauchen wieder Denkende, die etwas sehen, was andere noch nicht sehen: eine Gesellschaft, die die derzeitigen Probleme gelöst hat.
Allerdings brauchen wir keine Utopien. Das Wort „u-topos“ ist als „Nicht-Ort“ zu übersetzen. Wir aber benötigen Lösungen für diese Welt: Keinen Ort, wo Milch und Honig fließen, sondern diese Erde.
Nach einer reflektierten Analyse der realen Bedingungen legen Visionen einen Lösungsweg vor. Sie beinhalten einen Samen, der Probleme aufsprengen kann.
Visionen sind mutig und hoffnungsvoll. Sie sind aber keine Dogmen, an die wir ausnahmslos, unbedingt und ewig festhalten müssen. Visionen geben den Menschen wieder Zuversicht. Sie geben ihnen Mut und einen Handlungsauftrag.
Gerade das benötigt unsere Welt heute.
Ernst Fischer