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15.10.2024 · Ernst Fischer
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30.09.2015 Ernst Fischer

„Die Schule ist kein Spaßbad.“ –
Vom Recht der Schüler auf Zuneigung und vom Recht auf Disziplin,
vom Recht auf modernes Lernen und von der Pflicht zur Bildung

Das 20. Jahrhundert war in Fragen der Erziehung und Bildung ein Jahrhundert der Extreme: Von klerikalen oder kaiserlichen Kadettanstalten über die nationalsozialistischen Perversionen und Verblendungen zu den anti-autoritären Vorstellungen der 60-er- und 70-er-Jahre, von den sozialistischen Erziehungsprinzipien der alten DDR bis zu den oft orientierungslosen Versuchen der Gesamtschulbewegung. In einem unruhigen Wasser und bei ständig wechselnden Windrichtungen aber kann Erziehung schlecht gelingen.

Allgemeingut ist demgegenüber, dass Schule bilden und erziehen soll; sie soll Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, aber auch Charakter stärken und soziale Kompetenzen einüben. Ferner ist unumstritten, dass sie die Schüler in eine demokratische Gesellschaft einführen sowie auf das Berufsleben vorbereiten muss.

Erziehung und Bildung brauchen Prinzipien und Fundamente. Erst auf festen Sockeln kann Schule beweglich sein, entwicklungs- und anpassungsfähig sowie frei und autonom.

Wie aber könnten solche Grundlagen auch für das 21. Jahrhundert aussehen?

1. Zuneigung zu den Schülerinnen und Schülern

Wenn Schule sich als reiner Paukbetrieb definieren würde, wenn nur noch der Stoff, der Input, die Quantität die ersten Ziele sein würden, dann würden die Menschen zweitrangig. Wo Menschen aber zweitrangig werden, besteht die Gefahr, dass ein System inhuman wird. Deshalb muss Schule den Menschen an die erste Stelle setzen, sie muss sich um die Kinder und Jugendlichen kümmern, ihnen Zuneigung entgegenbringen. Zuneigung meint jedoch nicht Liebe. Liebe kann eine Schule selten geben; sie ist die Pflicht der Eltern. Aber Lehrerinnen und Lehrern können und müssen sich den Schülern zu-neigen, sie zu verstehen versuchen, sich ihrer annehmen, sie zum Ziel ihrer Arbeit machen. Sie sollen dies selbst dann tun, wenn das Gegenüber dieser Zu-neigung sie scheinbar ablehnt.

2. Disziplin

Zuneigung allein aber genügt nicht, um jungen Menschen Bildung und Erziehung zu ermöglichen. Die Schüler haben auch ein Recht auf Disziplin. Recht auf Disziplin? Das hört sich zunächst zynisch an. Tatsächlich aber kann eine Gemeinschaft von 1000 Menschen, die täglich mehrere Stunden zusammenlebt, nicht ohne Regeln leben, und diese Regeln können nicht ständig und mit jedem diskutiert oder relativiert werden. Jede Gemeinschaft fordert auch den Verzicht auf Freiheit und reguliert diese Gemeinschaftsregeln mit Sanktionen und Strafen. Durch Disziplin wird auch klar gemacht: Wer sich nicht in soziale Systeme einordnen will, wer nicht fähig ist, auch einmal Frust, Druck und stellenweise Unfreiheit auszuhalten, der kann auch keine Leistung erzielen. Es ist ihm unmöglich, das aus sich herauszuholen, was in ihm steckt. Diese Disziplin fördert noch ein Weiteres: den größtmöglichen Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft vor der Gewalt anderer.

3. Modernes Lernen

Ein weiteres unveränderliches Fundament ist die Veränderbarkeit. Dies klingt zuerst paradox. Aber Schule muss sich mit einer Gesellschaft entwickeln, nicht im Wimpernschlag parteipolitischer Vorschläge und nicht durch äußere Machtinteressen bestimmt. Wenn aber bewiesen ist, dass Kinder und Jugendliche heute Informationen anders aufnehmen, dass sie anders lernen, dass die familiären und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich grundlegend geändert haben, dann muss sich auch Schule ändern. Sie ändert aber nicht ihre Ziele, sondern die Methoden, zu denselben Zielen zu gelangen. So muss eine zeitgemäße Schule heute mit anderen Lern- und Lehrmethoden arbeiten als vor 30 Jahren. In diesem Sinne haben die Schüler und ihre Erziehungsberechtigten das Recht auf modernes Lernen und die Schule die Pflicht, es anzubieten.

4. Anstrengung und Verantwortung

Bildungserwerb ist aber nichts Passives; Bildung ist kein Konsumartikel, und Schule ist nicht eBay oder ein TV-Sender, der eine Ware vertreibt. Bildung hat etwas mit Anstrengung zu tun, mit Leistung, mit Arbeit. Es muss in unserer Konsum- und Fun-Gesellschaft wieder laut gesagt werden, dass die Schülerinnen und Schüler selbst Träger ihrer Bildung sind, es sein dürfen, aber auch sein müssen: Sie sind Subjekte, nicht Objekte ihrer Bildung. Nur wenn sie sich bilden wollen, wenn sie aktiv werden, wenn sie arbeiten, wenn sie sich anstrengen, nehmen sie ihre Entwicklung in die eigene Hand. Wer immer nur von der Schule erwartet, dass sie dies oder jenes, ja gar alles bietet – seien es die Jugendlichen, seien es die Eltern – aber nicht bereit ist, selbst etwas dafür zu tun, wird sein Ziel verfehlen. Wer keine Verantwortung übernimmt und sie nur anderen zuschiebt, wird nichts lernen … und dann ist Schule nur Spaßbad oder Langeweile oder quälende Belastung.

Zeitgemäße Schule muss sich in dem Spannungsfeld zwischen diesen vier Polen bewegen - zwischen Zuneigung und Disziplin, zwischen modernem Unterricht und zu fordernder Anstrengungsbereitschaft der Schüler. Würde man einen dieser vier Ecksteine umstoßen, würde das System kippen, würde das rechte Maß verloren gehen. Maßlosigkeit aber ist das Ende von Erziehung.

Ernst Fischer

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