Nachdenken verändert die Welt
"Nachdenken kostet Zeit, die ich nicht habe! Ich muss jetzt zuerst meine Arbeit machen!"
Das ist zu kurz gesprungen! Richtiges Handeln kommt erst aus dem Nachdenken, im alltäglichen Leben und in der Philosophie.
Beides, Theorie und Praxis, Denken und Handeln, ist Gegenstand der Philosophie. Aber kann Nachdenken auch selbst praktisch werden – kann Denken in die Welt eingreifen?
Ich zitiere hier die These 9 aus „Das Philosophisches Manifest“, Hohe Luft 5/2015. Die Herausgeber und Mitarbeiter/-innen des philosophischen Magazins (das leider vor einigen Jahren eingestellt worden ist) haben sich veranlasst gesehen, festzuschreiben, wozu Philosophie und Nachdenken in modernen Zeiten von Nutzen ist. Kernaussage ist der Satz:
Eine Philosophie, die den Nachdenkenden nicht verändert, ist sinnlos. Ein Mensch, der die Welt nicht verändert, ist keiner.
„ … Handeln ist Gegenstand der Philosophie. Aber kann Nachdenken auch selbst praktisch werden – kann philosophische Theorie in die Welt eingreifen? Wir sagen: Ja. Laut Aristoteles ist Praxis, eine »Tätigkeit um ihrer selbst willen« (wie Singen oder Lesen), im Unterschied zur poesis, die etwas zu einem bestimmten Zweck hervorbringt (wie das Tische-Schreinern). Gegen Aristoteles stellen wir fest:
Auch der Mensch, der nachdenkt, bringt etwas hervor,
und zwar mindestens dreierlei.
Erstens: Orientierung. Die Fähigkeit, sich neugierig und freihändig in einem unübersichtlichen Raum zu bewegen und ihn mit der Vernunft auszuloten.
Zweitens: Kritik. Die Fähigkeit, Meinungen, Vorurteile, Weltanschauungen mit philosophischen Argumenten herauszufordern und zu kommentieren.
Drittens: Ideen. Die Gabe, neue Verknüpfungen zwischen Altbekanntem herzustellen, Gedankenexperimente zu wagen und noch Ungesagtes sagbar zu machen.
Der Zweck des Schreinerns ist der Tisch; der Zweck des Nachdenkens ist Befreiung. Der nachdenkende Mensch kann sich aus Leere, Angst und Unfreiheit befreien. Da er die Möglichkeit hat, hat er nicht auch die Pflicht dazu? Und was soll er tun, nachdem er sich befreit hat? Seine Umgebung mit dem Philosophie-Virus infizieren! Die Anzahl der Selbstdenkenden auf diesem Planeten multiplizieren! Eine Welt erschaffen, in der man seinen Verstand nicht nur zum Autofahren benutzt. Sondern auch dazu, »sich nicht einfach so hinzunehmen, wie man eben ist« (Harry G. Frankfurt).
Eine Philosophie, die den Nachdenkenden nicht verändert, ist sinnlos. Ein Mensch, der die Welt nicht verändert, ist keiner.“
zusammengefasst von Ernst Fischer