Rubrik: Themen und Impulse / Stichworte: Hoffnung
23.08.2023 Ernst Fischer; Bild: Das Erste
Murot und das Prinzip Hoffnung
Im gleichnamigen Tatort des WDR vom 21.11.2021 legt Ulrich Tukur als Kommissar Murot nach dem gelösten Fall eine Ausgabe von Ernst Blochs Das Prinzip Hoffnung auf den Grabstein seines verstorbenen Philosophielehrers.
Und er frägt seine Assistentin: „Wächter, warum tun wir das, was wir tun?“ Wächter: „Weil wir die Guten sind?“ Murot: „Oder weil es sonst so furchtbar dunkel wäre.“
Viele sehnten sich im 20. Jahrhundert nach einer besseren, gerechteren Welt. Doch keiner hat sie so beredt in Worte gefasst und ihre Bedingungen und Möglichkeiten so systematisch erarbeitet wie Ernst Bloch in seinem Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung", erstmals erschienen 1954.
Hoffnung soll in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Bloch spricht deshalb von der Hoffnung als einer „konkreten Utopie“. Er geht von den Wünschen und Tagträumen der Menschen aus, dem Ausdruck vielfältigster Hoffnungen. Die Hoffnung ist das den Menschen in seinen täglichen Geschäften leitende Prinzip, der individuelle Antrieb und das Wissen um das Potenzial, ein erfülltes, besseres Leben führen zu können, frei von Demütigung und Entfremdung. Dafür muss sich der Mensch noch nicht ausgeschöpfter Möglichkeiten bewusstwerden, um diese schließlich realisieren zu können.
Hoffnung ist keine bloße Zuversicht, die mal stärker, mal schwächer entwickelt ist, sondern eine Form der Überzeugung, das Richtige zu tun.
Die geschichtlichen Rahmenbedingungen stellen den Ort dar, an dem die Erfüllung von Hoffnung messbar wird. Allerdings ist auch der völlige Misserfolg geschichtlicher Entwicklungsprozesse nicht gänzlich ausgeschlossen. Das totale Scheitern, das „Nichts“ ist durchaus vorstellbar – doch widerspricht es dem Prinzip der Hoffnung, zu glauben, dass das „Nichts“ eintreffen könnte.
Einen großen Teil seines umfangreichen Werkes widmet Bloch der Schilderung der wichtigsten Sozialutopien der Menschheitsgeschichte. Auf diese Weise will er nachweisen, dass es immer schon zum Wesen des Menschen gehört hat, die wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen so gering wie möglich zu halten und seine Geschicke selbst zu lenken.
Blochs Philosophie ist sehr stark auf die Zukunft ausgerichtet: Der Mensch vereint in sich nicht nur die bereits realisierten Möglichkeiten all dessen, was die Geschichte aus ihm gemacht hat, sondern auch diejenigen, die er in Zukunft noch realisieren kann.
Bloch steht in der Tradition des utopischen Sozialismus, der von Marx und Engels kritisiert wurde, stellt aber den Sozialutopien der Geschichte keine eigene, neue gegenüber. Er sieht im MarxAschen Kommunismus das Instrument, um die kollektive Hoffnung auf eine bessere Welt in die Realität umzusetzen. Bloch ist jedoch ein untypischer, undogmatischer Marxist, der u. a. stark metaphysisch denkt und der das „Noch-Nicht-Sein“ zum Wesen des Menschen erklärt.
Ernst Fischer