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02.10.2025 · Ernst Fischer
Bild: pixabay

Misstrauen

Forscher der Max-Planck-Gesellschaft benennen das, was alle Querdenker, Verschwörungsgläubigen oder rechtsextremen Bewegungen zusammenschweißt, als Misstrauensgemeinschaft. Zeit, sich mit dem Misstrauen auseinanderzusetzen.

Laut Pschyrembel meint Misstrauen eine Grund­ge­stimmt­heit, bei wel­cher der Betroffene den Ver­dacht hegt, dass Din­ge nicht sind, wie sie schei­nen. Er befindet sich in ei­nem Zu­stand der un­gewissen Er­wartung von et­was Un­an­genehmem und geht davon aus­, dass sei­ne Um­welt ihm scha­den will.

„Das Misstrauen ist nicht nur ein Misstrauen auf zwischenmenschlicher Ebene, sondern umfasst ein Miss­trauen in die Gesellschaft und die Welt im Allgemeinen."

Oder anders ausgedrückt: „Menschen mit einer Disposition zu Misstrauen haben wenig Vertrauen in andere Menschen oder in die Gesellschaft. Sie sind überzeugt davon, dass andere nur auf ihren eigenen Nutzen aus sind und daher nicht davor zurückschrecken, andere auszunutzen“, erläutert Max-Planck-Wissenschaftlerin Isabel Thielmann. Andere Menschen würden generell als unzuverlässig, ausbeuterisch und selbstsüchtig wahr­genom­men. „Das dispositionelle Misstrauen ist nicht nur ein Misstrauen auf rein interpersoneller Ebene, sondern umfasst ein Miss­trauen in die Gesellschaft und die Welt im Allgemeinen. Diese Disposition kann schädliche Folgen für den sozialen Zu­sam­menhalt und das Funktionieren der Gesellschaft haben“, ergänzt Benjamin Hilbig.

Misstrauen und gesunde Skepsis müssen differenziert werden. Letztere ist positiv, schützt vor überstürzten oder wenig reflektierten Entscheidungen. Ausgeprägtes Misstrauen hingegen gefährdet jegliche Beziehung zu anderen Menschen.

Misstrauen als self-fulfilling prophecy

Misstrauen ist auch ein Gefühl, das Menschen ebenso wie Vertrauen selbst in sich erzeugen. Wenn Menschen generell misstrauisch sind, dann suchen sie im Verhalten und den Worten anderer nach Beweisen dafür, dass diese schaden wollen, sodass Misstrauen dazu führt, dass man viele schlechte Erfahrungen mit anderen macht und sich so immer wieder in seinem Misstrauen bestätigt fühlt (selbsterfüllende Prophezeiung).

Hinzu kommt: Das Misstrauen führt zu einer kognitiven Verzerrung und einer verfälschten Wahrnehmung. Mit dem Zerfall sozial-moralischer Milieus schwinden Verlässlichkeiten; es entsteht Unsicherheit sowohl in struktureller Hinsicht als auch in zwischenmenschlichen Beziehungen. Daran anknüpfend entwickelt sich in der Folge auch Misstrauen. Der mit dem Modernisierungsprozess verbundene Mangel an Vertrautheiten und Verlässlichkeiten kann für das Individuum auch nicht durch die Institution Wohlfahrtsstaat und durch ihn bereitgehaltene Leistungen kompensiert werden. Misstrauen entpuppt sich vielmehr als eine umfassende existentielle Verunsicherung und ein gesamtgesellschaftliches Orientierungsdilemma

Was hilft?

Wenn „miss“- vornehmlich bis ins 18. Jh. ein Präfix gewesen ist zur Bezeichnung des Verschiedenartigen, Abweichenden, Unrichtigen, Mangelnden und Üblen, Schlechten, dann ist „misstrauen“ das Gegenteil von „vertrauen“. Dass man Vertrauen nicht leicht aufbauen kann, weiß jeder Mensch. Versuchen sollte man es trotzdem.


Verwendete Literatur
MPG: https://www.mpg.de/20115581/0403-stra-wie-misstrauen-der-gesellschaft-schadet - Stangl, W. (2024, 15. Misstrauen. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik, 2024 - Kerstin Ratzke, Misstrauen als Folge der Individualisierung, 2003

Ernst Fischer

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