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04.01.2025 · Ernst Fischer

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Rubrik: Themen und Impulse/ Themen: Glück

15.10.2023, Ernst Fischer / Bild: wikimedia commons

Glücklichsein in einer schlechten Welt?

Ist es unmoralisch, glücklich zu sein, wenn rundherum Krieg, Not, Leid und Einsamkeit die Welt bestimmen?

Eine Suche nach Antworten bei Albert Camus und Jean-Jacques Rousseau.

Kann ich glückselig meinen ausgezeichneten Kaffee in der Sonne genießen oder das Gläschen Brunello, wenn tausend Kilometer entfernt Menschen wochenlang in dunklen Bunkern ausharren? Wenn im globalen Süden Millionen hungern und Kinder an Hunger sterben? Wenn in meiner Nachbarschaft eine fünfköpfige Familie auf 38 Quadratmetern lebt?

Ist Glück ist diesen Zeiten ein angemessener moralischer Zustand? Muss ich gar ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich lache, mich an meinem Leben freue und an dem meiner Kinder und Enkelkinder?

Nein sagen viele Philosophen. So der französische Aufklärer Jean-Jaques Rousseau (1712-1778). Für Rousseau war die Selbstliebe notwendige Bedingung für „unser Vermögen, unsere Gefühle an Menschen zu heften, die uns fremd sind.“ Rousseau verteidigt sein Glück und seine Freude, weil sie Ursache für sein Mitgefühl und sein Mitleid sind. Ganz wie Jesus von Nazareth predigte: „Liebt euren Nächsten wie euch selbst!“ Der Franzose hat es folgendermaßen ausgedrückt:

„Sorge für dein Wohl mit so wenig Schaden für andere wie möglich, aber sorge dich.“

Noch erstaunlicher fällt das Ja zum eigenen Glück bei Albert Camus (1913-1960) aus. Für den Existenzialisten war die Welt trostlos, sozialer Fortschritt eine Illusion und das Leben eine Aneinanderreihung von Verfehlungen. Der Mensch ist der moderne Sisyphos oder noch extremer: „Alle gesunden Menschen denken an Selbstmord.“ Trotzdem hält Camus dagegen: Erst wer die Spannung zwischen Wunsch und Wirklichkeit akzeptiert, kann der Welt ins Gesicht lachen. Erst wer die Qualen und Leiden der Welt ansehen kann, kann auch dagegen aufbegehren. Und erst im Aufbegehren erfährt der Mensch Freiheit, Glück und Erfüllung.

„Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance,“ so Albert Camus.

Ernst Fischer

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